Das war nur Links-Rechts. Interview mit Wirthi, 07.01.20

In der Arndtstraße haben mehrere Leute gewohnt. Es war genau in der Umbruchszeit, so 90/91. Wir haben dort den Keller ausgebaut und auch ein paar Konzerte veranstaltet. Ich erinnere mich noch an eine Hallenser Band und eine aus Graal-Müritz. Am Ende lief das dort aber eher immer Richtung Bierschlacht hinaus.

Vom Grufti zum Skin war im Prinzip kein richtiger Wechsel. Du hast dir das ja nicht überlegt. Es gab natürlich viele Gruftis, die dann gegangen sind, weil es ständig aufs Maul gab. Ich habe damals in der Braustraße gewohnt und hatte immer gute Kontakte zu den Punks in der Dufourstraße. Schnürstiefel und Hosenträger habe ich auch als Grufti schon getragen und irgendwann kam eben noch die Bomberjacke dazu. Glatze hatte ich nie. Bei mir ging das eher über das Punkermäßige. Das war sowieso verbunden hier in Leipzig.

Leipziger Gruftszene in der 2ten Hälfte der Achtziger Jahre (Foto: Wirthi)
Wirthi, vierter von rechts (Foto: Wirthi)

Wir sind ja auch auf die Punkkonzerte gegangen. Dann war ich mit Willie in Berlin und dort haben wir diese Sharpskinzeitung gefunden. Wir haben gesagt: „OK, das geht also auch.“ Es war aber ein Prozess. Bestimmt über 3 bis 4 Jahre. War ja auch cool, in so einem Spannungsfeld zu leben. Im Eiskeller waren wir beispielsweise mit zugange. Dort fanden das einige gut und andere nicht so sehr. Hat eben schön provoziert. Wobei wir im Eiskeller sehr warm geworden sind. Die eine Maidemonstration, die wir da gesprengt hatten, haben sie uns ja irgendwann verziehen. Imad hat damals im Hof des Eiskellers vor Wut die Sharp-Fahne verbrannt. Hat mit einem Leuchtspuri drauf geschossen. Aber wenn es ernst wurde, war klar, wo wir standen. Wir haben im Eiskeller auch eine Zeit lang Einlass gemacht und wenn da einer mit entsprechendem T-shirt ankam, ist der da nicht reingekommen. Später wurden die Sharpskins in Leipzig immer politischer. Da war ich dann eher Oiskin. Ich wollte mich nicht immer politisch erklären. Das ging mir auf den Sack.

Wirthi (zweiter von rechts) als Sharp Anfang der 90er. (Foto: Wirthi).

Wir hatten auch unsere Auseinandersetzungen mit Rechten, beispielsweise mit den Reudnitzern. Es ist aber nie komplett eskaliert. Die wussten, dass wir ein sehr großer Mob waren und wenn die bei uns etwas kaputt machen, ist am nächsten Tag bei denen etwas kaputt. Politisch haben die, bis auf wenige Ausnahmen, weniger gearbeitet. Also keine Reden ausgearbeitet oder Konzerte organisiert. Es waren nur wenige, die richtige FAP-Mitglieder waren, wie beispielsweise Zimmermann oder die beiden Fischerbrüder. Bei einem von den Reudnitzern war ich mal zu Hause. In seinem Zimmer hing ein Poster vom Ku-Klux-Klan neben einem Poster von einem Ska-Konzert im Eiskeller. Das war für den kein Widerspruch. Ein Großteil von denen war einfach nur Raudis, die sich in der Masse wohlgefühlt haben. Viel weniger politisch denkend als die Linken.

Skinheadpogo im Eiskeller (Conni Island) (Foto: Wirthi)
Leipziger Sharps auf einer Demonstration gegen Rassismus in Lübeck (Foto: Wirthi)

Bei den Überfällen auf die Sternwartenstraße waren die natürlich auch mit dabei. Das ging ja von der Disco im Schauspielhaus aus. Aber die haben sich nicht vorher hingesetzt und darüber geredet jetzt ein Haus zu überfallen, sondern da hieß es: „Ah geil, da sind Zecken, nichts wie hin und drauf!“ Da war kein Background hinter solchen Sachen. Das war nur Links – Rechts.

Eine echte Oi-Band in Leipzig gab es nicht. Höchstens von der Naziseite. Aber das war richtig schlimmer Schrammelpunk mit ganz finsteren Texten. Das konntest du nicht anhören. Wir waren Fans von „Messer Banzani“ und sind denen auch eine Weile hinterhergefahren. Also Ska. Da sind wir auch in einem Video mit drin.