+++Out Now! Defloration - "Angst". Das legendäre, unveröffentlichte Album von 1992 endlich als LP+++

Es hat nicht sehr lange gedauert, bis die montäglichen Runden im Winter 89/90 um den Leipziger Ring von Neonazis, angeführt wurden. Dahinter latschten die anderen Parteilager von SPD bis CDU und am Ende der „D-Mark“ fordernde Ostpöbel. Für autonome, Andersdenkende Menschen war schnell klar, dass hier kein Platz mehr für alternative Ideen sein konnte. In den Zeiten der Umbrüche suchte sich die Szene daher ihre Nischen, besetzte Häuser in Abrissvierteln, organisierte Konzerte und versuchte sich eigene Freiräume zu schaffen. All dies stand unter ständiger Bedrohung durch die erstarkte Neonaziszene in der Stadt. Häuser und Clubs wurden angegriffen, angezündet und Menschen schwer verletzt. Eine funktionierende Polizei existierte in dieser Zeit faktisch nicht. Befugnisse waren unklar und die ehemaligen Vopos völlig überfordert mit der Situation und der eskalierenden Gewalt. Für die alternative Szene bedeutete dies den eigenen Schutz allein organisieren zu müssen. Dabei kristalisierte sich schnell heraus, dass einzeln stehende Hausprojekte kaum eine Chance gegen den anhaltenden Naziterror hatten. So konzentrierte sich die Szene im Stadtteil Connewitz, wo bald ganze Straßenzüge besetzt waren. Gemeinsam wurden nun die fasst nächtlich stattfindenden Naziangriffe mit Steinen und Flaschen von den Dächern der Häuser abgewehrt und der Freiraum blutigst und mit größter Kraftanstrengung verteidigt.

1992 war endlich der Staatsbüttel Ostpolizei mit Hilfe der Kollegen aus dem Westen geschult und auf Vordermann gebracht und einsatzbereit. Neonazis marschierten in diesem Jahr mehrfach durch Leipzig, zeigten offen Hitlergrüße, zündeten Asylbewerberheime an und erklärten ganze Stadtteile zur „national befreiten Zone“. Die CDU im Leipziger Stadtrat hatte auch endlich ihren Feind im Süden der Stadt ausgemacht und forderte nun vehement eine Lösung des Hausbesetzerproblems in Form von Räumung. Das Gefühl der ständigen existentiellen Gefahr lag in der Luft und spannte in Connewitz die Situation extrem an. Nur ein Funke reichte um die Sache eskalieren zu lassen, denn die Hausbesetzer wollten ihren erbittert verteidigten Freiraum nicht kampflos aufgeben und es war allen klar, dass die Polizei nur auf einen Anlass wartete die Häuser zu stürmen. Die Sorge, dass sich dieser finden würde war keinesfalls ungerechtfertigt denn die Connewitzer Szene war keine Einheit. Neben friedlichen Hausbesetzern bewohnten auch Crashkids und Kleinkriminelle den Stadtteil.

Am 27.11.92 gab eine Polizistin bei einem Einsatz im Stadtteil gegen mutmaßliche Randalierer einen angeblichen „Warnschuss“ ab, der eine beteiligte Person in die Hüfte traf und schwer verletzte. In der aufgeheizten Situation und der Angst, dies sei der Beginn der Räumungen wurden in Connewitz Barrikaden errichtet. Die Polizei aus Dresden und Halle war überraschend schnell vor Ort und eskalierte durch ein besonders hartes Vorgehen. Es folgten Straßenschlachten mit vielen Verletzten und äußerster Brutalität. Dabei wurde auch das bis dato unbeteiligte Jugendzentrum ZORO gestürmt und alle Anwesenden festgenommen. 42 Personen aus der Szene wurden in dieser Nacht verhaftet, teilweise wochenlang in Untersuchungshaft gesteckt und wegen schwerem Landfriedensbruch, Wiederstand gegen die Staatsgewalt oder versuchtem Totschlag angeklagt. Die Strafen fielen mitunter drastisch aus. Zu allem Überfluss wurde einen Monat nach den Ereignissen noch Thümi erschossen. Er wollte anderen in dem Glauben helfen, ein Haus gegen einen Neonaziüberfall zu verteidigen.

1992 befanden sich Defloration mitten in diesem Geschehen. Einzelne Bandmitglieder lebten in diesem Stadtteil und die Band war fester Bestandteil der Subkulturellen Szene Leipzigs. Gerade war die dritte Veröffentlichung eingespielt worden, diesmal in einem richtigen Tonstudio. Die Band freute sich auf die Veröffentlichung des neuen Albums. Doch nach dem Eskalationswochenende des 27/28.11. war alles anders. Ein Bandmitglied befand sich in Haft, ein anderes auf der Flucht und wurde via Interpool gesucht. Die Anklagen lauteten „schwerer Landfriedensbruch“ und „Wiederstand gegen die Staatsgewalt“. Schweren Herzens entschied sich die Band das neue Album vorerst nicht zu veröffentlichen um der Anklage nicht noch „Futter“ zu liefern. Die Aufnahmen verschwanden in der Schublade und nur wenige Freunde besaßen bisher Kopien der Songs. Kurz danach löste sich Defloration auf und die Aufnahmen wurden nie veröffentlicht.

Tommi ist damals im Knast fasst psychisch zerbrochen. Auch bei den anderen Bandmitgliedern hat die Zeit Spuren hinterlassen. 30 Jahre danach ist es endlich soweit. Wir möchten Defloration endlich die Platte schenken, auf die sie solange warten mussten. Sie soll ein Zeitzeugnis sein, Es soll an die Ereignisse in Leipzig 1992 erinnern, und es soll ein Zeichen sein, dass nichts unmöglich ist. Auch wenn es so viele Jahre dauert.

Vergesst nicht und kämpft für eure Träume!

Schrammel  & Das Major Label

 

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